Natura 2000-Gebiet St. Lorenzener Hochmoor
Das St. Lorenzener Hochmoor – ein Kleinod in den Kärntner Nockbergen
Das St. Lorenzener Hochmoor befindet sich in einem Talschluss (Autertal) zwischen Großem und Kleinem Speikkofel in den Gurktaler Alpen, nördlich der Ortschaft St. Lorenzen in der Gemeinde Reichenau in Kärnten, auf einer Seehöhe um 1.460 m.
Das "Herzstück" des 48 ha großen Gebietes ist ein Bergkiefern-Hochmoor im Ausmaß von circa 11 ha, welches von verschiedenen Seggenrieden, Moorbirken-Moorwald, nassen Mähwiesen, nährstoffarmen Weideflächen und Lärchen-Zirbenwald umgeben ist. Das Hochmoor wird im Österreichischen Moorschutz-Katalog als oligotrophes saures Regenmoor geführt. Das Hochtal wird von einem schwach mäandrierenden kleinen Fließgewässer (Autertalbach) durchflossen, welches abschnittsweise mit Wasserhahnenfuß (Ranunculus trichophyllos) bewachsen ist. Im zentralen Hochmoorbereich zeugt ein alter Torfstich von ehemaligen Torfabbauaktivitäten zur Gewinnung von Stalleinstreu. Aus dieser Zeit stammen ein circa 0,5 ha großer Torfstich, ein breiter zentral gelegener Entwässerungsgraben und einige kleinere Gräben.
Natura 2000- und Ramsar-Gebiet
Das Hochmoor sowie angrenzende Flächen im Ausmaß von 48 ha wurden nach einer Initiative der Arge NATURSCHUTZ im Jahr 2000 von der Kärntner Landesregierung als Natura 2000-Gebiet nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) vorgeschlagen und von der Europäischen Kommission in das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 aufgenommen ("Hochmoor bei St. Lorenzen", AT2115000). Seither wurden zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu Fauna und Flora, Vegetation, Hydrologie und Kulturgeschichte durchgeführt. Derzeit wird im Rahmen eines ELER-Projektes (2009 – 2013) ein Managementplan für das Gebiet erstellt.
Im Herbst 2011 wurde das St. Lorenzener Hochmoor als 20. österreichisches Ramsar-Gebiet in die Liste der Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung aufgenommen. Der Arge NATURSCHUTZ ist es gelungen, gemeinsam mit den Grundeigentümern, der Gemeinde Ebene Reichenau und mit dem Land Kärnten die erforderlichen Arbeiten für diese internationale Auszeichnung aufzubereiten. Nach der Zustimmung seitens der Grundeigentümer, dem positiven Gemeinderatsbeschluss und dem einstimmigen Beschluss der Kärntner Landesregierung wurden die entsprechenden Unterlagen über das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (bmeia) an das Ramsarbüro in Gland (Schweiz) weitergeleitet. Die Kommission stimmte dem Ansuchen zu und nahm das Autertal/St. Lorenzener Hochmoor als 1979. Feuchtgebiet mit dem offiziellen Datum des 12. September 2011 in die Ramsar-Liste auf. Damit ist das Autertal/St. Lorenzener Hochmoor nach dem Sablatnigmoor (1992), dem Hörfeld-Moor (1996) und der Moor- und Seenlandschaft Keutschach-Schiefling (2005) das 4. Ramsar-Gebiet in Kärnten. Die feierliche Übergabe der Urkunden fand im August 2012 in St. Lorenzen statt.
Die Ramsar-Konvention stellt das wichtigste internationale Abkommen zum Schutz von Feuchtgebieten dar und wurde 1971 in der iranischen Stadt Ramsar unterzeichnet ("Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensräume für Wat- und Wasservögel, von internationaler Bedeutung"). Das damals wesentlichste Ziel der Erhaltung der Lebensräume für Wasser- und Watvögel wurde mittlerweile auf den generellen Schutz von Feuchtgebieten ausgeweitet und die Gebiete werden nunmehr nach ihrer botanischen, zoologischen und hydrologischen Bedeutung ausgewählt. Vor allem soll die internationale Zusammenarbeit und der Gedankenaustausch über Feuchtgebietsschutz sowie die wohlausgewogene Nutzung ("wise use") von Feuchtgebieten gefördert werden. Die Konvention wurde bisher von 162 Staaten unterzeichnet. Am 2. Februar 2011 feierte die Ramsar-Konvention zum Schutz der Feuchtgebiete ihren 40. Geburtstag.
Bemerkenswerte Tier- und Pflanzenarten
Das Hochmoor bei St. Lorenzen beherbergt eine Vielzahl an regional, national und auch international gefährdeten Tier- und Pflanzenarten, darunter FFH-Schutzgüter (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, Anhang II) wie die Fledermausart Mausohr (Myotis myotis), die Libellenart Große Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis), das Sichelmoos Drepanocladus vernicosus und den Europäischen Luchs (Lynx lynx).
Bei den Tiergruppen sind vor allem die Libellen, Schmetterlinge und Fledermäuse hervorzuheben. Das Vorkommen der europaweit gefährdeten (FFH-RL, Anh. II) und in Kärnten vom Aussterben bedrohten Libellenart Leucorrhinia pectoralis stellt eine zoologische Besonderheit dar. Die Große Moosjungfer konnte bisher nur in der Schütt bei Villach und im Ramsar-Gebiet Sablatnigmoor nachgewiesen werden. Da im St. Lorenzener Hochmoor ein noch unausgefärbtes juveniles Männchen gefunden wurde, ist anzunehmen, dass auch die Reproduktion dieser Art hier stattgefunden hat. Im Rahmen des Monitorings, welches Aufschluss über das Gesamtarteninventar der Libellenfauna im Gebiet geben soll (von 2010 bis 2013) wird auf das Vorkommen der Großen Moosjungfer besonders geachtet.
Das Moor beherbergt auch einige seltene Schmetterlingsarten. Für den Hochmoor-Perlmutterfalter (Boloria aquilonaris) stellt das St. Lorenzener Hochmoor das einzige Vorkommen dieser Art in Kärnten dar und bildet gleichzeitig den südlichsten Fundort seines Verbreitungsgebietes. Der Randring-Perlmutterfalter (Proclossiana eunomia) hat im St. Lorenzener Hochmoor das höchste und vermutlich einzige Vorkommen in Kärnten und der Moorgelbling (Colias palaeno) galt seit 1959 im St. Lorenzener Hochmoor verschollen und konnte im Zuge der Untersuchungen wieder entdeckt werden.
Insgesamt konnten 9 Fledermausarten nachgewiesen werden: neben dem bereits eingangs erwähnten Mausohr (Myotis myotis) haben noch Kleine Bartfledermaus (Myotis mystacinus), Fransenfledermaus (Myotis nattereri), Abendsegler (Nyctalus noctula), Nordfledermaus (Eptesicus nilssonii), Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus), Braunes Langohr (Plecotus auritus), Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) und Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) ihren Lebensraum im Moor und den angrenzenden Gebieten. In Kärnten gelten alle Fledermausarten als vollkommen geschützt.
Faunistisch interessant sind weiters vier österreichische Erstnachweise: eine Steinfliegen- (Isoperla silesica), eine Zikaden- (Streptanus confinis), eine Zuckmücken- (Psectrocladius octomaculatus) und eine Kriebelmückenart (Dicranota exclusa). Eine Spinnen- (Ameletus inopinatus) und zwei Zikadenarten, die Hochmoor-Spornzikade (Nothodelphax distincta) und die Hochmoor-Riedzirpe (Sorhoanus xanthoneurus), wurden erstmals für Kärnten nachgewiesen.
Unter den erhobenen Gefäßpflanzen ist die in Kärnten vom Aussterben bedrohte Feuchtwiesen-Prachtnelke (Dianthus superbus ssp. superbus) sowie die in Nordeuropa (Fennoskandinavien) weit verbreitete Dreh-Birke (Betula pubescens ssp. czerepanovii) hervorzuheben. Weitere naturschutzfachlich interessante Arten sind u. a. Draht- und Fuchs-Segge (Carex diandra, C. vulpina), Moor-Klee (Trifolium spadiceum), Kleinfrucht-Moor-Preiselbeere (Vaccinium microcarpum), Rosmarinheide (Andromeda polifolia), Zwerg-Birke (Betula nana), Rundblatt-Sonnentau (Drosera rotundifolia), Blutauge (Potentilla palustris), Frühlings-Enzian (Gentiana verna), Alpen-Kuhschelle (Pulsatilla alpina) und Zirbe (Pinus cembra). Eine Moosart (Drepanocladus vernicosus) ist im Anhang II der FFH-Richtlinie zu finden.
Maßnahmen
Im Jahr 2019 stellte DI Herwig Müller, der maßgeblich für die Planung und Errichtung der Spundwände verantwortlich war, bei einem Besuch im Moor fest, dass die Spundwände zwar zum gewünschten Erfolg wesentlich beigetragen haben, einige jedoch an mehreren Stellen aufgrund von Frostereignissen beschädigt und auch teilweise desolat waren. Im Zuge einer gemeinsamen Begehung am 19. August 2021 mit Mag. Klaus Krainer wurde vereinbart, ein Sanierungsprojekt auszuarbeiten. Gleichzeitig wurde DI Müller von der Arge NATURSCHUTZ beauftragt, eine Katalogisierung der Spundwände durchzuführen, welche mittlerweile abgeschlossen ist und dem Projektträger vorliegt.
Die geplante Sanierung der Spundwände wurde um die bereits früher geplante Abschrägung der Torfstichkanten erweitert. Zudem wurde auch der Vorschlag von Mag. Krainer in das Projekt aufgenommen, anstelle der alten Torfhütte ein Kleingewässer anzulegen.
Die geplanten Maßnahmen wurden Anfang September 2021 auch bereits mit der zuständigen Amtssachverständigen des Bezirkes Feldkirchen vor Ort besichtigt und abgestimmt.
Das Projekt wurde mittlerweile beim Land Kärnten eingereicht, für eine Genehmigung bedarf es noch fachlicher Ergänzungen. Nach Genehmigung wird das Projekt in weiterer Folge mit dem Grundeigentümer, der Autertaler Torfverwertungsgesellschaft, mittlerweile Agrargemeinschaft Großer und Kleiner Speikkogel, vorgestellt und die Zustimmung eingeholt. Auch die Gemeinde und der Biosphärenpark Nockberge werden über die geplanten Aktivitäten informiert.
Renaturierung Hochmoor und Torfstich
Die im Jahr 2003 begonnenen Wasserstandsmessungen mit Dauerpegeleinrichtungen ergaben, dass der Grundwasserspiegel im Hochmoor für ein aktives Moorwachstum zu niedrig ist, da die Gräben immer noch eine entwässernde Wirkung besitzen. Im Jahr 2007 wurde mit dem Einbau von Holzdämmen in die Entwässerungsgräben des ehemaligen Torfstichs ein erster Schritt zur Hochmoor-Sanierung gesetzt. Die Arbeiten wurden von der Landjugend Reichenau unter der Leitung von Hans Peter Huber und Gerhard Pertl von der Autertaler Torfgemeinschaft sorgfältig durchgeführt. Fachliche Unterstützung erhielten sie von den Forstarbeitern der Österreichischen Bundesforste AG (ÖBf) aus Tamsweg unter der Leitung von DI Herwig Müller. Insgesamt wurden 24 Holzdämme (Lärchenholzkonstruktion nach dem Nut-Feder-Prinzip) eingebaut. Die Finanzierung der Maßnahmen erfolgte über das Kulturlandschaftsprojekt Kärnten (Programm zur Entwicklung des Ländlichen Raumes, Artikel 33) der Arge NATURSCHUTZ.
Am 30. September 2007 wurde die erfolgreiche Umsetzung der ersten Maßnahmen gebührend gefeiert. Nach der Messe in der Pfarrkirche St. Lorenzen erfolgte die offizielle Einweihung der Dämme durch Pfarrer Johannes Wedenig. Bürgermeister Karl Lessiak (Gemeinde Reichenau) und Bezirkshauptmann Dr. Dietmar Stückler (BH Feldkirchen) würdigten in ihren Festreden die vorbildliche und beispielhafte Zusammenarbeit zwischen Grundeigentümer, Naturschutz und Behörde. Dr. Birgit Karre und Mag. Klaus Krainer stellten das Gesamtprojekt und die umgesetzten Maßnahmen vor.
Nach der Fertigstellung der Baumaßnahmen sorgte ein Adriatief für starke Regenfälle und füllte die Gräben mit Regenwasser an. Damit hatten sich die ersten Erwartungen der Maßnahmen erfüllt: wo früher Gräben das Moor durchzogen, standen nun Wasserflächen. Auch das Tormooswachstum setzte bald darauf ein.
Regelmäßige Kontrollen des Wasserstandes mittels Dauerpegel geben Aufschluss darüber, ob die Maßnahmen wirken. Derzeit ist ein positiver Trend bezüglich der Hebung des Wasserspiegels zu beobachten, wobei die Maßnahmen nicht nur direkt bei den Gräben (Auffüllen der Gräben und Bildung einer Teichkette), sondern auch in der gesamten Fläche des zentralen Hochmoores Wirkung zeigen. Ein Monitoring der Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserhaushaltes wird vorerst bis Ende 2013 weitergeführt.
Schlegel- und Schwendarbeiten
Dass der Wasserspiegel in der Umgebung der Gräben durch den Einbau der Holzdämme gehoben werden konnte, zeigte sich am "Gesundheitszustand" der die Entwässerungsgräben säumenden Latschen. Latschen mögen keine Staunässe – wachsen sie im Moor gut, so ist dies ein deutliches Zeichen für Entwässerung. Durch die getätigten Maßnahmen waren nun die Wurzeln der Latschen ständig überstaut und starben ab. Am Freitag, dem 2. Dezember 2011, fand im Hochmoor eine Schwendaktion statt. Auf Initiative von Arge NATURSCHUTZ und Agrargemeinschaft Großer und Kleiner Speikkogel fanden sich 12 Helfer ein, um die abgestorbenen Latschen entlang der ehemaligen Entwässerungsgräben zu entfernen.
Die zunehmende Wiederbewaldung vor allem in den ungenutzten bzw. extensiv genutzten randlichen Lagen des Gebietes stellt ein Problem dar. Eine nährstoffarme Weidefläche im Osten des Hochmoores wurde bereits geschwendet. Weitere Bereiche sollen folgen.
Im Jahr 2006 wurden die an eine nährstoffarme artenreiche Berg-Mähwiese angrenzenden Brachbereiche nördlich des Hochmoorbereiches durch Schlegelmaßnahmen wieder einer extensiven Mähnutzung zugeführt.
Besucherlenkung
Die alte Torfhütte neben dem ehemaligen Torfstich hat den Schneelasten im Winter 2010/2011 nicht standgehalten. An dieser Stelle soll nun eine Infowand errichtet werden, an der sich Besucher über die Besonderheiten des Hochmoores informieren können. Die erforderlichen Projektunterlagen werden von der Arge NATURSCHUTZ aufbereitet. In weiterer Folge wird der quer durch den Torfstich ins Hochmoor führende Steig aufgelassen, der entsprechende Abschnitt im Torfstich wird rückgebaut. Als Alternative soll ein Holzsteg mit Plattform an der Torfstichkante Besuchern die Möglichkeit geben, das prächtige Panorama zu besichtigen.
Buchtipp:
KARRE, B. (2008): Vom Torfstechen zum partizipativen Naturschutz. Regenerationsmaßnahmen im Autertaler Hochmoor – Ein Managementplan im Fokus. Saarbrücken: Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften.
KRAINER, K. & DABERNIG, M. (2005): Kulturlandschaftsprojekt Kärnten. Das Natura 2000-Gebiet St. Lorenzener Hochmoor. Kärntner Naturschutzberichte 10: 17 – 27.